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ja, ich bin in der bild. oder besser gesagt: einer meiner tweets. wie es dazu kam? ich twittere leidenschaftlich gerne; ich gebe meinungen kund, benutze manchmal hashtags und bin einfach ich selbst. „authentisch“ nennt man das im pr- und marketing-jargon. so auch am sonntag abend zu günther jauchs talkshow unter dem hashtag #jauch. am nächsten tag hatte die BILD einen meiner kritischen tweets auf ihrer seite veröffentlicht:

hier nachzulesen (achtung, nicht in der mobil-version): BILD.de

ich muss sagen, ich habe nicht erwartet, gestern nachmittag plötzlich mein profilbild zwischen den zeilen eines mehr oder weniger qualitativen artikels auf der webseite von deutschlands größtem boulevard-blatt wiederzufinden. und trotzdem zeigt genau das mir, dass die deutschsprachige medienlandschaft sich langsam, aber doch weiterentwickelt.

journalisten beginnen auch hierzulande, twitter als recherchetool zu nutzen. vielen ist das 140-zeichen-tool allerdings noch suspekt – und ich spreche nicht nur von alteingesessenen journalismus-urgesteinen, sondern auch von jungen „digital natives“ in meinem alter, die twitter belächeln und nicht recht wissen, was sie damit anfangen sollen. hier ein kleiner guide, warum und wie ich als journalist und blogger twitter nutzen kann:

1.) meinungen und stimmungsbilder einfangen

diese form der recherche mag auf twitter die einfachste sein: was sagt die twitternde masse zu einem bestimmten thema? meinungen zu einer wahldebatte, einer tv-sendung oder zum aktuellen politischen geschehen sind schnell gefunden. einfach in der twittersuche den passenden hashtag oder ein bestimmtes stichwort eingeben und schon hat der suchenende ein meer an zitaten zum gewünschten thema. so wird der bild-journalist auch meinen tweet entdeckt haben: meine hauptsächlich deutsche timeline hatte sonntag nacht kaum ein anderes thema, an verwertbaren und originellen zitaten zur #jauch-show mangelte es nicht.

2.) events rekonstruieren

anhand des hashtags ist es auch keine kunst, stimmungshochs und -tiefs der sendung nachzuverfolgen, zitate gewissen sendungsabschnitten zuzuordnen und der verlauf zu rekonstruieren. wer also eine sendung wie jauchs sonntagstalk oder ein event detaillierter beschreiben möchte und kein highlight vergessen will, kann auf den twitterstream mit dem passenden hashtag zurückgreifen. wie kleine notizzettel von 140 zeichen führen tweets auch noch im nachhinein durch eine veranstaltung. dasselbe gilt für unfallhergänge oder manchmal sogar militäraktionen: ahnungslos twitterte ein pakistanischer programmierer im jahr 2011 über die tötung bin ladens.

3.) profile untersuchen

doch warum sollte man twitterern wie dem pakistanischen programmierer glauben schenken? um einen nutzer zu verifizieren, muss man dessen profil genau unter die lupe nehmen. wie lange twittert er schon? wirkte er in der vergangenheit authentisch? wem folgt er und was sagt das über ihn aus? mit wem unterhält er sich? im fall des pakistanischen programmierers schien alles zusammenzupassen, zahlreiche tweets vor denen in der besagten nacht beschäftigten sich mit der umgebung, in der bin laden gefunden wurde. auch sonst wirkte er authentisch, twitterte über das wetter, programmierrelevantes oder seinen sohn. was sonst noch bei der überprüfung von twitter-inhalten hilft, erläutert steve buttry auf seinem blog.

schreibmaschine

ganz alleine im stillen kämmerlein braucht heute niemand mehr journalisus betreiben. ein tweet kann die ganze welt erreichen. foto: cc, flickr

4.) #followerpower pls RT!

wenn sich eine information partout nicht finden lassen will und internet und jedes lexikon nutzlos erscheinen, kann twitter die rettende lösung sein. beim recherchieren helfen lassen kann man sich nämlich mit dem hashtag #followerpower. wenn ein tweet nun mit diesem tweet und dem kürzel „pls RT“, was soviel wie „bitte retweeten“  bedeutet, ausgestattet ist, kann es schon sein, dass er eine stattliche anzahl von timelines durchquert. da sich auf twitter viele hilfsbereite menschen tummeln, erhält man nach der vereinten recherche meist ein oder mehrere brauchbare ergebnisse, ob dies nun eine info zu einem seltenen relikt aus dem ersten weltkrieg sein mag oder doch nur der link zu einer freien wohnung in berlin.

5.) expertensuche

wer zusätzlich zum hashtag #followerpower noch einen themenspezifischen hashtag erwähnt, erhöht die chancen auf rechercheergebnisse. bespielsweise kreuzt ein tweet mit dem hashtag #hackerspace bestimmt früher oder später die timeline eines hacking-experten – der via @-reply, also mithilfe einer öffentlich antwort, sofort kontakt zum hilfesuchenden aufnehmen kann. wenn beide twitterer einander folgen, können zudem private nachrichten ausgetauscht und informationen verdichtet oder ein interview vereinbart werden. der vorteil der twitter-recherche nach expertise: mit google werden viele experten nicht gefunden. einige sind zu unbekannt, andere zu spezifisch und wieder andere wollen gar nicht entdeckt werden. bei twitter können experten proaktiv auf journalisten zukommen – das erleichtert die suche enorm.

6.) what’s up? trending topics

auch wer sich unsicher ist, welche themen die stadt gerade bewegen, kann einen blick auf twitter riskieren. sogenannte trending topics geben die aktuellen top-themen auf twitter an – sortiert nach gewünschter region. zu wahl stehen internationale trending topics sowie nach ländern oder sogar städten sortierte. nach welchen algorithmen die trending topics ausgewählt werden, ist unbekannt – als ein stimmungsbarometer und themenpool können sie allerdings ohne bedenken verwendet werden.

trendingtopics

so können die trends aussehen. gibt’s auch in personalisiert. bild: screenshot twitter

7.) frisches bildmaterial

spätestens seit dem hubschrauberabsturz über london ist twitter auch bei den medien als schnelle bildquelle angekommen, wie auch w&v berichtet. englischsprachige medien haben längst nicht mehr so viel scheu, twitterer als bildquelle zu verwenden. auch die twitterbilder von der flugzeuglandung auf dem hudson gingen um die welt. wer schnell authentisches bildmaterial von einem ereignis braucht, kann auf twitter fündig werden. aber achtung: niemals die urheberrechte vergessen! auch bilder, auf denen personen abgebildet sind – wie etwa profilbilder – sind rechtlich und auch verifizierungstechnisch mit vorsicht zu genießen, wie auch tanja morschhäuser auf ihrem blog über soziale medien und journalismus berichtet.

die entwicklungen bisher gehen schleppend voran, wenige deutsche journalisten nutzen twitter aktiv zur recherche oder kontaktaufnahme, auch wenn es einige gute vorbilder gibt. schon 2009 schrieben journalisten über die vorteile von twitter, wie etwa hier – nun ist es 2013 und twitter hat noch immer gegner im journalismus. es werden aber weniger. und wenn man sich diese liste von deutschen journalisten mit twitteraccount ansieht, dann kann man positiv in die zukunft blicken.

Ein Kommentar zu “twitter: 8 tipps für journalisten.

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